Am 28. März 1949 trafen sich auf Initiative des Friseurmeisters Franz Grieser zehn fußballbegeisterte Männer in der damaligen Gaststätte Tschannerl in der Sudetenstraße und beschlossen: „Wir gründen einen Verein“. Zwei Wochen später, am 12. April 1949, war es dann soweit. der TuS Geretsried wurde offiziell gegründet – fünf Frauen und 25 Männer unterzeichneten die Gründungsurkunde.
Die Väter und Mütter des TuS
Die Gründungsmitglieder waren: Susi Gabler, Ingeborg John, Anna Kolumber, Käthe Thurner, Gretl Tschajka, Anton Dobler, Hans Faber, Kurt Feuser, Walter Frankenberger, Ernst Gahler, Franz Grieser, Walter Helmrich, Herbert Herglotz, Oskar Herrmann, Rainer Jakowetz, Karl Kenösper, Erich Lausmann, Anton Linzmeier, Ernst Riedl, Walter Rösler, Willibald Rösler, Wilhelm Ruppert, Hans Seiche, Emil Stingl, Oskar Tschajka, Karl Tschannerl, Rudolf Tschannerl, Otto Werner.
Zum ersten Vorsitzenden wurde Kurt Feuser gewählt, der schon damals die Meinung vertrat: „Der Sportverein sollte nicht nur die üblichen Aufgaben haben, sondern darüber hinaus eine helfende Gemeinschaft bilden“. Sein Stellvertreter wurde Karl Tschannerl, zum Kassier wurde Otto Werner ernannt. Als Patenverein leistete der TSV Schäftlarn „Geburtshilfe“. Zum ersten Abteilungsleiter Fußball wurde Rudolf Tschannerl ernannt.
Schwierigen Anfangsjahre in der Nachkriegszeit
Die Zeit zwischen 1945 und 1949 war nicht leicht. Die Menschen mussten die Probleme und Nöte der Nachkriegszeit bewältigen. In Geretsried kam im April 1946 der erste Massentransport mit 550 Heimatvertriebenen aus dem Sudetenland an, weitere folgten. Wohnungsmangel, Arbeitslosigkeit und Hunger waren an der Tagesordnung. Die Menschen mussten erst einmal ihr eigenes Leben wieder in den Griff bekommen, also nach Arbeit und Broterwerb Ausschau halten. Sie hatten sich an die Gegebenheiten in einer völlig neuen Umgebung anzupassen, bevor sie sich mit anderen Dingen, wie eben beispielsweise dem Sport, beschäftigen wollten und auch konnten.
Für die Gründer des TuS bedeutete dies anfangs enorme Widerstände. Bürgerliche Ablehnung und intellektuelle Überheblichkeit waren an der Tagesordnung. Dazu kam noch, dass der Sport in dieser Zeit noch nicht den Stellenwert hatte, den er in der heutigen Gesellschaft einnimmt. Um die Jahrhundertwende war das Sporttreiben in Deutschland überwiegend das Vorrecht einer kleinen Schicht der herrschenden Klassen.
Aber auch in den 50er Jahren spielten Turnen und Sport in der Gesellschaft noch eine Außenseiterrolle. Somit durften sich die sportbegeisterten Gründungsmitglieder auch seitens der Gemeindeverwaltung (Geretsried wurde erst 1970 zur Stadt erhoben) keine große Unterstützung erhoffen. Denn erstens wollte diese etwas, das nur so wenige Bürger forderten, nicht mit finanzieller Hilfe unterstützen, da Geldmittel immer noch recht knapp waren und zweitens waren sie vollauf damit beschäftigt, den Wiederaufbau voranzutreiben und einen möglichst schnellen Wirtschaftsaufschwung herbeizuführen. So blieb den TuSlern nichts anderes übrig, als aus den gegebenen Umständen das beste zu machen.
Zum Waschen in die Kiesgrube
Anfangs war eine geeignete Spiel- und Sportfläche zu Trainingszwecken im Bereich der Königsdorfer Almwiesen angedacht. Auch das Areal der heutigen Petruskirche samt angrenzendem Kindergarten stand zwischenzeitlich zur Diskussion. Als erste Sportstätte wurde dann jedoch eine Wiese an der Tattenkofener Straße auserkoren, wo unter einfachsten Bedingungen auch die ersten Spiele stattfanden. Die teils bis zu 1.000! Zuschauer konnten sich links und rechts neben dem Spielfeld und hinter den Toren aufstellen, eine Tribüne gab es nicht. Das erste Spiel gegen den Patenverein TSV Schäftlarn endete mit einem 4:3 Sieg für den TuS. Das erste Tor für den TuS erzielte Gründungsmitglied Ernst Riedl, leider war es ein Eigentor.
Hygiene war in diesen Zeiten noch kein bedeutendes Thema. Die Sportler konnten sich lediglich in einer nahegelegenen Kiesgrube waschen oder einen zehnminütigen Fußmarsch zum Caritas Altenheim in Kauf nehmen, wo ihnen freundlicherweise Duschen zur Verfügung gestellt wurden. Erst nach etlichen Jahren wurde den Fußballern die Genehmigung zum Bau eines kleinen Umkleidehauses mit Dusche und WC am Rand der Spielwiese erteilt. Alle Trainingszeiten waren sehr vom Wetter abhängig. Oft genug fiel das Training ins Wasser, im Winter konnte nicht trainiert werden.
Neue Sparten, neue Sportstätten
Am 5. Mai 1951 wurde die Turnabteilung gegründet. Im Saal der früheren Gaststätte Korb startete mit gymnastischen Übungen der Turnbetrieb. Die Mitgliederzahl lag zu diesem Zeitpunkt bei circa 150 Sportlern. Auch die Turner waren in der Anfangszeit auf der Suche nach einer geeigneten Sportstätte, zudem fehlte jegliches Trainingsgerät. Nach hartnäckigem Verhandlungen von Seiten des Vorstandsmitgliedes Franz Füger wurde von dem damaligen Werksverwalter der Montanwerke, Hans von Wallbrunn, ein Gebäude für die Turnfreunde zur Verfügung gestellt.
Als Starthilfe bekam man vom TSV Wolfratshausen einige Turngeräte geschenkt. Außerdem wurden Fördermittel von Land, Kreis, BLSV und der hiesigen Industrie beschafft. Die Stadt beteiligte sich an den Unterhaltskosten, nahm eine große Sorge von den Schultern der Verantwortlichen und half dabei mit, dem TuS die schwierige Anfangszeit zu überstehen.
Am 11. Dezember 1951 wurde das TuS-Angebot um die Abteilung Schach ergänzt und im darauffolgenden Jahr 1952 wurde die Handballsparte gegründet. Einen Schicksalsschlag galt es im März 1953 zu verkraften. Der 1. Vorsitzende Kurt Feuser verunglückte tödlich, zu seinem Nachfolger wurde am 17. April 1953 Franz Füger ernannt. Im Rahmen der Hauptversammlung am 10. März 1954 wurde Hans Adamek zum neuen Vorsitzenden gewählt; er führte den Hauptverein 20 Jahre lang durch alle Turbulenzen.
1956 wurde mit Hilfe der Gemeinde endlich die erste Turnhalle fertig gestellt und 1957 der Öffentlichkeit übergeben. Ein Nutznießer der neuen Halle war die im Jahr 1958 neu gegründete Tischtennisabteilung, die inzwischen fünfte Sparte des TuS. Ein Jahr später konnte bereits das 10-jährige Bestehen des TuS Geretsried mit einer großen Sportveranstaltung und einem Festabend gebührend gefeiert werden.
TuS on Ice
1959 kam mit „Eis“ ein neues Element hinzu. Im Garten von Roman Sternkopf wurde erstmals mit der Erstellung einer Natureisfläche die Möglichkeit zum Eishockeyspielen in Geretsried geschaffen, 1961 folgte die Gründung der Eissportabteilung. In der darauffolgenden Saison 1962/63 wurde die Natureislaufbahn an der Richard-Wagner-Straße, dem heutigen Rasenplatz an der Karl-Lederer-Hauptschule, errichtet. Hier wurde auch am 5. Dezember 1962 das erste Freundschaftsspiel ausgetragen. Die Geretsrieder unterlagen dem ASV Dachau mit 2:5. Der erste Sieg folgte wenige Wochen später mit einem 1:0 gegen den ESV Penzberg. In der Saison 1962/63 wurde erstmals auch eine Schüler- und Jugendmannschaft aufs Eis geschickt.
Eröffnung von Isarau-Stadion und Kunsteisstadion
Ein bedeutender Tag in der Vereinsgeschichte ist der 21. Mai 1966. Im Rahmen eines großen Spielfestes wurde das neue Isaraustadion eröffnet. Zu diesem Anlass konnte die die Bundesliga-Mannschaft des FC Bayern München für ein Freundschaftsspiel gewonnen werden. Auch die Eishockeyspieler gab es ein neues Zuhause. 1966 fand der Umzug der Natureisbahn auf den heutigen Festplatz an der Jahnstraße statt, im Jahr 1973 wurde das Kunsteisstadion errichtet.
Olympischer Fackellauf und neue Abteilungen
Als Auftakt zu den olympischen Spielen 1972 wurde den Geretsrieder Sportlern die Ehre zuteil, die Fackel mit dem olympischen Feuer durch ihre Stadt zu tragen. Die Entwicklung und Lieferung des Olympischen Feuers, das mit mehr als 6000 Fackeln vom antiken Olympia nach München getragen wurde, übernahm übrigens die in Geretsried ansässige Firma Tyczka, die hierfür im Jahr 1966 den Auftrag vom Olympischen Komitee erhielt.
Für den TuS Geretsried waren die frühen 70er-Jahre eine turbulente Zeit. Im Dezember 1970 gründete Oskar Artner mit einigen Freunden die Badminton-Abteilung, ins Jahr 1971 fielen die Gründung von Leichtathletik- und Volleyball-Sparte. Bei seiner 25-Jahrfeier 1974 zählte der TuS Geretsried bereits die stattliche Anzahl von 1.876 Mitglieder, die sich auf inzwischen acht Abteilungen aufteilten. Nach diesen turbulenten Jahren trat eine ruhigere Zeit ein, in welcher der TuS sich jedoch ständig vergrößerte und weiterentwickelte.
Bis zur Jahrtausendwende kamen noch die Sparten Koronarsport (1987) und Basketball (1992) hinzu. In den letzten Jahren wurde das TuS-Angebot noch um Kampfkunst (2011) und Ultimate (2024) ergänzt. Nicht mehr an Bord ist die Eissportsparte, die 2006 größtenteils im neu gegründeten ESC Geretsried aufging. Unvergessen bleiben jedoch der Gewinn der Deutsche Meistertitel der Damenmannschaft „Moskitos“, die Deutsche Oberligameisterschaft und mehrjährige Zugehörigkeit zur 2. Bundesliga sowie viele Talente, wie Markus Janka, Peter Holdschick, Rudi Sternkopf oder Uli Liebsch, die beim TuS Geretsried ausgebildet wurden und es bis in die Bundesliga oder Nationalmannschaft schafften.
Sportkindergarten
Neue Wege Neue Wege beschritt der TuS Geretsried im Jahr 2009 mit dem Projekt „Sportkindergarten“. Direkt an das Stadionareal angrenzend entstand auf dem Gelände des ehemaligen Wilfling-Hauses in Zusammenarbeit mit der Champini GmbH Nürnberg und mit Unterstützung der Stadt Geretsried einer der ersten Sportkindergärten in Bayern inklusive einer eigenen kleinen Turnhalle, die auch heute noch dem Vereinssport zur Verfügung steht – ein zukunftsweisendes Projekt, für das der damalige TuS Vorsitzende Stephan Heinle als Initiator und treibende Kraft zugleich fungierte, das aber nach einigen Jahren und Problemen mit dem Träger in die Hände des Kinderlands Weyarn wechselte. Ohne die Initiative des TuS und großem ehrenamtlichen Engagement wäre dieses Projekt jedoch niemals entstanden.
Sportstätten in Geretsried
Um sportlich wie gesellschaftlich erfolgreich arbeiten zu können, sind moderne und belastbare Sportstätten unabdingbar. Das Isaraustadion zählt optisch mit Sicherheit zu den schönsten Sportstadien im Münchner Süden. Mit dem Kunstrasenplatz, einem Kleinfeld, einer Trainingswiese, einem Basketball- und einem Beachvolleyballplatz bietet das Stadionareal ein vielseitiges und professionelles Trainingsgelände und mit dem TuS-Vereinsheim eine Sportgaststätte mit Nebenräumen und einem kleinen Saal für Veranstaltungen.
In Eigenregie wurde im letzten Sommer der in die Jahre gekommene Kabinentrakt von den Fußballern des TuS renoviert und modernisiert. Hinsichtlich einer Überplanung des gesamten Areals gibt es Gespräche mit der Stadt Geretsried. Von essentieller Bedeutung sind zudem die Sporthallen von Stadt und Landkreis sowie die beiden Trainingsplätze auf der Böhmwiese, die vom TuS mitgenutzt werden. Trotz einer Vielzahl an Sportstätten platzen einige Sparten des TuS Geretsried räumlich inzwischen aus allen Nähten. Auch aufgrund der Belegung der Adalbert-Stifter-Halle durch Flüchtlinge und der anstehenden Bauarbeiten in der alten Gymnasium-Turnhalle wird man in nächster Zeit zusammenrücken und den Sportbetrieb teilweise leicht einschränken müssen.
Der TuS heute
Mittlerweile liegt das Gründungsjahr 75 Jahre zurück und der TuS-Geretsried hat es geschafft, sich trotz großer Anfangsprobleme zu einem weit über den Landkreis hinaus bekannten Verein zu entwickeln. Sowohl Leistungs-, Breiten-, als auch der Gesundheitssport haben sich fest im Verein etabliert.
Zahlreiche ehrenamtliche Übungsleiter und Helfer sind für die Geschicke des Vereins zuständig und haben ihn zu dem gemacht, was er heute ist – den mit ca. 2.500 Mitgliedern größten Sportverein im Landkreis. Das Angebot des TuS umfasst den Breiten-, Mannschafts- und Spitzensport, deckt aber auch in zunehmendem Ausmaß den Gesundheitssport ab. In den Altersgruppen beginnt es mit 2 bis 3 Jahren in den Eltern/Kind Turngruppen und führt hinauf bis in die Seniorengymnastik, wo 80 Jahre Lebenserfahrung noch keine Grenze sind.
Mit Freude können wir auf einige Deutsche- und Landesmeistertitel und auf zahlreiche Berufungen von Einzelsportlern in National- und Olympiamannschaften blicken (siehe hierzu auch „Geschichte in Bildern“ und „Hall of Fame“. Die Finanzierbarkeit der Aktivitäten stellt dabei oberste Priorität dar. Der Verein läuft nach den Regeln: „Soviel Leistung wie möglich, aber nur soweit diese finanzierbar ist! Gelder dürfen nur im Rahmen vorhandener oder gesicherter Finanzen ausgegeben bzw. disponiert werden.“
Schwerpunkt auf der Nachwuchs- und Integrationsarbeit
Eine besondere Aufmerksamkeit gilt deshalb der Förderung der eigenen Jugend, wo der TuS heute auf die Dienste von zahlreichen ausgebildeten Übungsleitern mit Übungsleiterschein bauen kann. Hinzu kommen viele Übungsleiterassistenten und ehrenamtliche Helfer, u. a. auch aus dem Bereich der Eltern, die vor allem in der Nachwuchsarbeit vorbildliche Arbeit leisten. Gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ist es für einen Verein besonders wichtig, gemeinsam anzupacken und als eingeschworene Gemeinschaft für das Wohl der Mitglieder aber auch für das soziale Gefüge der Stadt Geretsried und des Landkreises da zu sein.
Die Integration von Menschen aus vielerlei Ländern und sämtlichen Bevölkerungsschichten ist neben der sportlichen Komponente eine nicht zu verkennende Aufgabe eines Sportvereins und gerade angesichts der multikulturellen Geschichte Geretsrieds ein zentraler Punkt. Hier leistet der TuS – wie natürlich auch andere Vereine der Stadt – seit Jahrzehnten vorbildliche Arbeit.
Autor: Mathias Renz